Bollywoodelfe's Blog

Eine deutsche Sicht auf Bollywood, Indien , Pakistan

Firebrand – gebrandmarkt durch Missbrauch

Gerade sorgt die „Dauerausstellung“ #maennerwelten für großes Aufsehen. Eine Aktion gegen sexuelle Belästigung. Vor allem das ungewollte Zusenden sogenannter „Dick-Pics“ kennen wohl die meisten Frauen aus eigener Erfahrung. Ich habe mal gelesen, dass Männer das in der Hoffnung machen, sie würden dann im Gegenzug auch solche Fotos von der Frau bekommen. Und sie lieben ihr bestes Stück einfach sehr. Weil sie es immer vor Augen haben. Für sie ist das ein Heiligtum. Während Frauen zu ihrem Geschlechtsteil oft keine so liebenswerte Beziehung haben. Weil sie sich nicht den ganzen Tag damit beschäftigen wie Männer. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mein Neffe seinem Penis hoch ehrenvoll Lobeslieder gesungen hat, als er klein war. Da ich mit Schwestern aufgewachsen bin, war mir diese Glorifizierung des Geschlechtsteils bis dahin gar nicht so bekannt. Bringen Eltern ihren Söhnen eigentlich bei, dass das ungefragte Versenden von Dick-Picks keine gute Idee ist?

Ich habe neulich den Film „Firebrand“ bei Netflix gesehen und war danach etwas verstört. Eine Scheidungsanwältin vertritt ihre Klientinnen erfolgreich auch in schwierigen Fällen. Schwerpunkt misshandelte Frauen, denn sie selbst wurde Opfer sexueller Gewalt. Ihre eigene Ehe leidet unter ihrem Trauma als sexuellem Missbrauchsopfer, denn als  fällt es ihr schwer, eine wirklich intime Bindung mit ihrem Ehemann einzugehen. Die Sitzungen bei einem Psychologen bringen sie nicht viel weiter. Ich kann an dieser Stelle natürlich nicht verraten, welches fragwürdige Ende dieser Film nimmt. Aber ich habe das Gefühl, dass sich Missbrauchsopfer da nicht wirklich wiederfinden in dem, wie man sein Trauma überwinden kann. Ohne ins Detail zu gehen: natürlich kann man sich nach so einem Erlebnis sagen: ich lasse das hinter mir. Was geschehen ist, ist geschehen. Ich möchte im Hier und Jetzt leben. Aber wenn es so einfach wäre wie in diesem Film, dann wäre ja alles gar nicht so schlimm. Das Ende fühlt sich definitiv ziemlich komisch an. Dabei würde es wohl sehr, sehr vielen Frauen gut tun zu sehen, wie man das Geschehene verarbeiten kann, damit man als Missbrauchsopfer zurück ins Leben kehren kann.

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No one killed Jessica – frei gekauft

Basierend auf einem wahren Fall: 300 Partygäste als Zeugen in der Tatnacht, 7 davon sahen genau mit an, welcher Mann Jessica erschoss. Ein wasserdichter Fall. Aber nicht, wenn der Mörder der Sohn eines einflussreichen Politikers ist. Dann gibt es am Ende einen Freispruch. Somit hat niemand Jessica getötet.

Dieser Film erzählt, wie einfach es in Indien sein kann, sich als Täter frei zu kaufen. Zeugen werden beeinflusst und eingeschüchtert, Polizisten bestochen. Alles ganz normal. Alles ganz einfach. So kommt es auch oft vor, dass Opfern von Vergewaltigungen keine Gerechtigkeit widerfährt. Als reicher Mensch hat man offensichtlich einen Freibrief, auch für Mord und Vergewaltigung. Doch in diesem Fall lehnt sich das Volk auf und fordert Gerechtigkeit. 

Ich finde den Film wirklich toll! Spannend zu sehen, wie einfach es ist, einen wirklich klaren Fall so zu drehen, dass der eindeutige Täter letztlich doch frei kommt. Immer wieder unfassbar. Auch zu sehen in Filmen wie Court oder MOM. Es ist haarsträubend, aber es passiert wirklich in indischen Gerichten. Auch der Fall von Jessica ist keine reine Filmphantasie.

Und wie wunderbar diese zwei Top-Schauspielerinnen Rani Mukerji und Vidya Balan spielen! Endlich mal wieder Frauen, die jenseits der 30 sind. Ganz ohne Designerfashion und High-End Make-Up strahlen sie in diesem Film so beeindruckend, dass mir das Herz aufgeht. Bollywood braucht solche Schauspielerinnen. Genau so wird dieser Film zu einem nachhaltigen Film, den man so schnell nicht mehr vergessen wird.

Zu sehen auf Netflix: https://www.netflix.com/de/title/70139076

 

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Guilty – der ganz normale Missbrauch

Brauchen wir einen Film über #Metoo-Missbrauch? Natürlich nicht, im Gegenteil. Wir brauchen Filme, die den Frauen Mut machen. Also kann sich der Zuschauer schon irgendwie denken, dass derjenige, dessen Unschuld zu beweisen gilt, am Ende doch nicht so unschuldig ist, wie es anfangs scheint. Bleibt also die Frage, ob der Weg zur Aufklärung des Falls spannend genug ist, um als Zuschauer dran zu bleiben oder ob der Film irgendwas an der Mentalität ändern kann, was sexuelle Übergriffe betrifft. Nunja. Also mit klaren Fakten wird der Fall am Ende nicht gelöst, soviel ist klar. Vielmehr wird es sehr emotional und der Weg zur “Auflösung” des Falls ist sehr verwirrend. Für mich persönlich ein bisschen zu konstruiert. Das “Opfer” zieht sich gern etwas freizügiger an und steht in Verruf, ein Mädchen zu sein, das sehr leicht für Sex zu haben ist. Klar, die Männer reden sich in dem Punkt gern damit raus, dass das Mädchen ihr “schlechtes Verhalten” ja geradezu provoziert hat. Der Freundin des mutmaßlichen Täters, die vorerst an seine Unschuld glaubt (jemand twitterte sehr trefflich, dass sie ziemlich an Maeve von “Sex Education” erinnert) begegnen auf Schritt und Tritt Situationen mit Männern, in denen sie belästigt wird. Es wird gezeigt, wie schwer es ist, als Frau allein unterwegs zu sein, ohne solchen Angriffen ausgesetzt zu sein. Und sei es, da onaniert ein Mann auf dem Weg zum Zug. Da nützt dann auch kein extra Frauenabteil im Zug, wenn schon der Weg dahin zum Spießrutenlauf wird. Was hier deutlich wird: sexuelle Belästigungen finden immer und überall statt. 

Die wichtigen Zahlen kommen zum Schluss: 95% der Fälle werden nicht bestraft. Oft können sich die Täter einfach frei kaufen oder dem Opfer wird nicht geglaubt. Hier spielt vor allem die allgemeine Meinung eine Rolle, dass die Frau das Verhalten des Mannes wahrscheinlich provoziert hat. Frau darf nicht so sein, wie sie will. Sie hat sich gefälligst am Besten unsichtbar zu machen. Und in 97% der Fälle kennen sich Opfer und Täter. Und um kein Drama innerhalb der Familie/dem Bekanntenkreis zu machen, ist Schweigen das oberste Gebot.

Schuldig macht sich also letztlich auch immer die Gesellschaft, die solche Fälle nicht härter bestraft und die Mentalität beibehält. Nämlich dass die Frau selbst Schuld ist, wenn sie in eine solche Situation gerät.

Zu sehen bei Netflix: https://www.netflix.com/de/title/81116486

EN 

Do we need a film about #metoo abuse? Of course not. We need films that encourage women. So the viewer can somehow think that the person whose innocence needs to be proven is ultimately not as innocent as they initially seem. Will the path to clearing up the case be exciting enough to stay tuned as a viewer? Can the film change anything about people’s mentality regarding sexual assault? 

The case is not solved in the end with clear facts. Rather, it gets very emotional and the path to “resolving” the case is very confusing. A bit too constructed for me personally. The “victim” likes to dress very sexy and most of the men think that it is very easy to have sex with her. Sure, the men like to say that the girl has provoked their “bad behavior”. The alleged perpetrator’s girlfriend, who initially believes in his innocence (someone tweeted very well that she was very reminiscent of Maeve from “Sex Education”), encounters situations with men at every turn in which she is harassed. It shows how difficult it is to be alone as a woman without being exposed to such attacks. Even if a man masturbates on the way to the train. There is no need for an extra women’s compartment on the train to protect women even if the way is dangerous too. What is clear here: sexual harassment takes place always and everywhere.

The important numbers are shown at the end: 95% of cases are not punished. Often, the perpetrators can simply buy a not guilty verdict or the victim is not believed. The general opinion that the woman has probably provoked the behavior of the man plays a role here. A woman cannot be who she wants to be. It is best to make yourself invisible. And in 97% of the cases victims and perpetrators know each other. In order not to make a drama within the family / or among acquaintances, silence becomes the top priority.

Ultimately, the blame lies within the society since it does not punish such cases more severely and allows the current perceptions of sexual abuse to thrive. Namely, that the woman is to blame if she suffers sexual abuse.

Watch on Netflix: https://www.netflix.com/de/title/81116486

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Happy Women’s Day – Stay Strong

Frauen haben es in Indien sehr schwer. Ihr Leben ist durch jahrhundertealte Traditionen beeinflusst. Demnach müssen sie dem Manne Untertan sein. Die Tradition der Mitgift bewirkt, dass eine arme Familie quasi ruiniert ist, sobald eine Tochter geboren wird. Unverheiratete Frauen sind Außenseiter und nach der Heirat müssen auch gut ausgebildete Frauen meist ein Hausfrauendasein führen. In Bollywoodfilmen werden sie oft als Sexobjekte dargestellt. Umso großartiger ist es, wenn es indische Filme gibt, in denen Frauen ihre ganze Stärke zeigen können. Hier möchte ich einige wunderbare Filme hervorheben:

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Zeit der Frauen” (Parched): Vier Frauen haben genug von ihren daueralkoholisierten, gewalttätigen und nichtsnutzigen Männern und nehmen ihr Schicksal nicht wie viele stoisch hin, sondern kämpfen sich aus ihrer Situation heraus, ohne dabei ihren Humor zu verlieren. Wunderbar!

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In „Where to miss?“ verfolgt eine Frau ihren Traum, Taxifahrerin zu werden. Es ist ein unfassbar beeindruckender Dokumentarfilm über die unterdrückten Frauen in Indien, die hier nicht als Opfer gezeigt werden, sondern als Heldinnen, die versuchen keine Angst zu zeigen, um Vorbild zu sein und die ihren Traum eines selbstbestimmten Lebens mit aller Kraft verfolgen.

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In Dr. Rakhmabai sehen wir die eindrucksvolle Geschichte der ersten indischen Frau, die als Ärztin praktizierte und ihr schwieriger Weg dorthin mit einer Rechtsstreit-Odyssee um ihre mit 11 Jahren zwangsweise vollstreckte Kinderehe.

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In „Poorna“ können wir Malavath Poorna bewundern, die mit 13 Jahren das jüngste Mädchen der Welt ist, das den Mount Everest bestieg.

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In „Mission Mangal“ dürfen hauptsächlich Frauen eine Weltraum-Mission leiten, weil man sich aus Budgetgründen keine Männer dafür leisten konnte. Für Männer kaum zu glauben, aber diese Mission endete äußerst erfolgreich.

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In „The Sky is Pink(Netflix) erfahren wir die Geschichte von Aisha, die in ihrem kurzen Leben mehr verstanden hat, was wirklich wichtig ist, als so viele andere.

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Sehr beeindruckend sind auch immer Polizistinnen, die sich in einer männerdominierten Arbeitswelt als äußert taff erweisen, wie in „Mardaani“, „Soni“ (Netflix) und „Delhi Crime“ (Netflix).

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Laila aur satt geet – Für Laila wird ihre Schönheit zur Bürde in einer männerdominierten Welt. Sie lässt sich nichts gefallen, doch das gefällt den Männern noch umso mehr. Sie wird in dieser Welt keinen Frieden mehr finden.

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In „Dangal“ (Netflix) geht es um zwei Schwestern, die von ihrem Vater zu erfolgreichen Ringerinnen gedrillt wurden. Heldinnen, die alles gegeben haben, um für Millionen von Mädchen ein Vorbild zu sein, die von der Gesellschaft für minderwertig gehalten werden.

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In Mary Kom (Netflix) sehen wir die Geschichte einer Powerfrau, die trotz ihrer Zwillingsmutterschaft ein Comeback startet.

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Aus Indien hört man immer besonders grausame Fälle von Vergewaltigungen. Massenvergewaltigungen sind keine Seltenheit, selbst vor Kindern wird kein Halt gemacht. In den Filmen “Ajji” (Netflix) und “MOM” (Netflix) werden Großmutter und Mutter zu Rächerinnen, nachdem die Vergewaltiger ihrer Tochter/Enkelin aus haarsträubenden Gründen freigesprochen werden.

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Wenn sich all die Moguln und Maharadschas einig gewesen wären und wie Manikarnika, quasi die indische Jeanne d’Arc, an das Wohlergehen des gesamten Indien gedacht hätten, hätten die Briten damals vielleicht nicht so ein leichtes Spiel bei der Besetzung von Indien gehabt. Und während Jeanne d’Arc auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, ließ sich Manikarnika gar nicht erst gefangen nehmen und verbrannte sich lieber selbst auf dem Schlachtfeld. Was für eine Heldin!

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Laila aur satt geet – Schönheit als Bürde

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(Filmcrew bei der Berlinale)

Laila aur satt geet | The Shepherdess and the Seven Songs. Ein Film in Gurjari/Gojri, eine Sprache, die von Stämmen Indiens, Pakistans und Afghanistans gesprochen werden. Die Volkserzählung der Wanderhirtin Laila ist inspiriert von der Dichtung der kaschmirischen Mystikerin Lalleshwari, die im 14. Jahrhundert lebte und auch als Lalla bzw. Lal Ded bekannt ist (siehe Details aus der Beschreibung der Berlinale)

Laila ist ein wunderschönes junges Mädchen, das zu einem Gujjar-Bakarwal Stamm gehört, eine Gemeinschaft von Nomaden, die mit ihren Schafen in Kaschmir umherzieht. Ab einem gewissen Alter muss man heiraten und so heiratet sie Tanvir, einen Stammesgenossen und sie ziehen vor dem heftigen Schneefall weg weiter ins Tal. Ihr Schönheit wird schnell zum Gesprächsstoff in der umliegenden Gegend. Ein Polizeibeamter und sein Handlanger Mushtaq gehen ins Lager unter dem Vorwand, die Identitäten der Personen prüfen zu müssen. Ihnen geht es aber mehr darum, einen Blick auf die wunderschöne Laila zu erhaschen. Sie sind sehr beeindruckt von ihr. Denn Laila ist mutig und lässt sich nichts gefallen. Erst recht keine Zudringlichkeiten von Männern. Zwischen Mushtaq und Laila kommt es zu einem Spiel, bei dem sie sich Tricks einfallen lassen muss, um sich von seinem offensichtlichen Wunsch fernzuhalten, ihr sexuell näher zu kommen. Leider ist ihr Mann Tanvir auch nur wie ein “Bock”, der nur seinen täglichen Sex mit ihr haben will, ihr aber in keiner Weise behilflich ist, ihr Mushtaq vom Leib zu halten.

Laila Aur Satt Geet zeigt uns im Detail das harte Leben von Nomaden in Kaschmir. Sie müssen heutzutage nicht nur den harten Bedingungen der Natur trotzen, sondern vor allem auch den politischen Gegebenheiten im umkämpften Kaschmir-Gebiet. Ärger mit den Kaschmir Separatisten und den indischen Sicherheitsbeamten gehört zum Alltag. Jede Partei im Kaschmir-Konflikt möchte Kaschmir für sich besitzen. Aber keiner sieht dabei die Menschen, die dort leben. Und die Polizei suhlt sich gern in der Machtposition, den Nomaden zu zeigen, wer am längeren Hebel sitzt. Laila will sich dieser Macht nicht untergeben. Ihr Mann jedoch möchte einfach nur keinen Ärger. Eher nimmt er in Kauf, dass seine Frau von Beamten belästigt wird. Berechtigterweise sagt sie den schlimmen Satz zu ihrem Mann: “Dann schütte mir doch Säure ins Gesicht, dann hat sich das Problem gelöst.” Ihre Schönheit wird ihr in dieser männerdominierten Welt zum Verhängnis. Sie kämpft wie eine Löwin für ihr Schicksal und ihre Bedürfnisse. Sie möchte nicht von allen Männern um sie herum kontrolliert werden. Aber sie hat keine Chance auf ein friedliches Leben und muss ihre Konsequenzen ziehen.  

Laila Aur Satt Geet beinhaltet sieben lokale Volkslieder, um Lailas innere und äußere Welt zu beschreiben. Sieben ist eine sehr bedeutsame Zahl für Sufis (Strömungen im Islam) und wir sehen im Film sieben Phasen in Lailas Leben. Die Lieder wurden nicht extra für den Film geschrieben, sondern für den Film als Vorlage genommen, um die verschiedenen Stimmungen von Laila zu untermalen. Sie fügen sich wirklich wunderbar zur Geschichte. 

Der Film beinhaltet wunderschöne Bilder von Kaschmir, von den Wäldern, dem Leben als Schafhirt. Man möchte am liebsten auch dort umher wandern, aber weiß im gleichen Moment, dass es nicht möglich ist, sich in Kaschmir frei zu bewegen. 

Es ist eine sehr traurige Geschichte, aber auch eine mit sehr starken Bildern und einer wunderbaren und beeindruckenden Darstellerin der Laila. Die kaschmirische “Mystikerin” Lalleshwari kannte ich bisher noch nicht. Der Regisseur sagt im Interview, Hindus und Moslems beanspruchen sie gleichermaßen als eine ihrer populärsten weiblichen Poetin.Sie schreibt in ihren Versen sowohl über den Hinduismus, als auch den Islam, so dass sie als Figur sehr wichtig für den Kaschmir-Konflikt ist. Zudem eine starke Antwort auf all das, was Frauen auch in der heutigen Zeit in Indien erleben müssen und bewegt. Und der Regisseur wollte zeigen, dass sich Indien eben nicht weiterentwickelt, wie es sollte, weil die Politik einem das Leben schwer macht. 

Ein sehr lehrreicher und bildgewaltiger Film.

Director‘s Talk · 29.02.2020 Pushpendra Singh:

https://www.berlinale.de/de/programm/programm/detail.html?film_id=202007647#video-directors_talks

EN

Laila aur sat geet | The Shepherdess and the Seven Songs. A film in Gurjari / Gojri, a language spoken by tribes of India, Pakistan and Afghanistan. The folk tale of the wandering shepherdess Laila is inspired by the poetry of the Kashmiri mystic Lalleshwari, who lived in the 14th century and is also known as Lalla or Lal Ded.

Laila is a beautiful young girl who belongs to a Gujjar Bakarwal tribe, a community of nomads who move around with their sheep in Kashmir. At a certain age you have to get married and so Laila marries Tanvir, a fellow tribal  member and they move further down into the valley because of the heavy snowfall in the hills. Her beauty quickly becomes a topic of conversation in the surrounding area. A police officer and his sidekick Mushtaq go to the tribe’s camp to verify the people’s identities. But it’s more about catching a glimpse of beautiful Laila. They are very impressed by her. Because Laila is brave and doesn’t put up with anything. Certainly no male intrusions. There is a game between Mushtaq and Laila in which she has to come up with tricks to avoid his sexual advances. Unfortunately, her husband Tanvir is just like a “goat” who only wants to have sex with her daily, but is in no way helpful in keeping Mushtaq away from her.

Laila Aur Satt Geet shows us in detail the hard life of nomads in Kashmir. Nowadays you not only have to defy the harsh conditions of nature, but above all the political conditions in the Kashmir area. Trouble with the Kashmir separatists and the Indian security officers is part of everyday life. Every party in the Kashmir conflict wants to own Kashmir. But nobody sees the people who live there. And the police like to show the nomads who have more power. Laila does not want to submit to this power. However, her husband just doesn’t want any trouble. He is willing to accept that his wife will be harassed by officials. In her desperation she says the horrible sentence to her husband: „Throw acid into my face, then the problem will be solved.“ Her beauty has doomed her in this male-dominated world. She fights like a lioness against her fate and for her needs. She doesn’t want to be controlled by all the men around her. But she has no chance of a peaceful life and must face the consequences.

Laila Aur Satt Geet contains seven local folk songs to describe Laila’s inner and outer world. Seven is a very significant number for Sufis (a mystical form of Islam) and we see seven phases in Laila’s life in the film. The songs were not written specifically for the film, but were used as a template for the film to underline the different moods of Laila. They really fit in with the story.

The film contains beautiful images of Kashmir, the forests, life as a shepherd. You want to hike around there too, but you know at the same time that it is not possible to move freely in Kashmir.

It is a very sad story, but also one with very strong images and a wonderful and impressive performance from the actress who portrays Laila. I didn’t know who the Kashmiri “mystic” Lalleshwari was. The director said in the interview that Hindus and Muslims claim her to be one of her most popular female poets, and she writes about Hinduism and Islam in her verses, making her a very important figure in the Kashmir conflict. In addition, a strong answer to everything that concerns women and what they have to deal with in India today. The director wanted to show that India is not developing as it should because the political situation make life difficult for Indians

A very educational and visually stunning film.

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Chhapaak – Stoppt Säureattacken!

Basierend auf dem Leben von Laxmi Agarwal spielt Deepika Padukone in diesem Film die Überlebende eines Säureangriffs.

Warum sollte man sich einen Film über eine Frau anschauen, die einen Säureangriff überlebt hat? Natürlich ist das keine leichte Unterhaltung. Aber ich hatte mehrere Gründe: mich interessierte, wie man mit so einem schweren Schicksalsschlag umgehen kann. Was die Konsequenzen für das weitere Leben sind. Mich interessierte, ob es in diesem Fall Gerechtigkeit gab, denn wie wir wissen, ist das nicht immer einfach für Frauen in Indien. Mich interessierte, ob das Thema immer noch brisant ist. Die recht große Anzahl der Zuschauer im Kino ließ mich darauf schließen, dass auch viele andere das Thema spannend fanden. Vor allem ungewöhnlich hoch war der Männeranteil indischen Ursprungs. Normalerweise sieht man bei Frauenthemen wenig männliche Zuschauer in den Reihen.

Ich frage mich, wie es zu so einer „Tradition“ kommen konnte. Dass Frauen in Indien mit allen Mitteln „klein gehalten“ werden, ist nicht ungewöhnlich. Die meisten Opfer von Säureattacken sind Frauen. Frauen, die ihren sozialen Status verbessern wollten. Männer, die verschmäht werden, wählen diesen grausamen Weg, um diese Frau für alle anderen Männer unattraktiv zu machen. Wie zum Teufel kommt man auf so eine unfassbar unmenschliche Methode, das Leben eines Menschen derart zu zerstören? Dieser Mensch hat sein Leben lang unter den Folgen zu leiden. Auch Laxmi gibt zu, dass der Tod weniger qualvoll gewesen wäre. Keine etlichen Operationen, keine jahrelangen zermürbenden Gerichtsverfahren. Und auch gesellschaftlich müssen die Opfer ein Leben lang leiden. Alle erschauern beim Anblick. Alle starren einen an. Alle halten einen für „behindert“. Auch bei der Jobsuche ist man fast chancenlos, denn anscheinend gilt man mit einem entstellten Gesicht auch automatisch als geistig nicht mehr „normal“. Wie unglaublich unfair.

Noch ein furchtbarer Aspekt: gehört man der niedrigsten Kaste der Unberührbaren an, wird man besonders schnell Opfer dieser Tat. Und dann verweigern einem auch noch Krankenhäuser die Hilfe. Chancenlos.

Und die Strafe? Bis vor ein paar Jahren lächerlich. Höchstens zwei Jahre Gefängnis. Wenn überhaupt. Die Frau muss ja irgendwie auch selbst schuld daran gewesen sein, dass es so weit gekommen ist. Garantiert hat sie sich gesellschaftlich nicht korrekt verhalten.

Laxmi hatte das Durchhaltevermögen, einiges am Rechtssystem zu verändern. Säureattackenopfern wird nun eine Entschädigung zugesprochen und eine härtere Rechtssprechung angewandt. Sie hat die Kampagne „Stop Sale Acid“ ins Leben gerufen. Immer noch kann in Indien Säure einfach in jedem beliebigen Shop gekauft werden. Immer noch gibt es jährlich hunderte Fälle dieses grausamen Verbrechens.

Die Bilder im Film sind nicht allzu erschreckend. Im Hintergrund läuft immer eine beschwichtigende Melodie. Ansonsten wäre das Thema wohl kaum auszuhalten. Deepika spielt einfach wunderbar. Man fühlt mit ihr. Das Thema lässt einen so schnell nicht mehr los. Es darf nicht in den Hintergrund geraten. Solche Filme helfen, finde ich. Und es wäre zu wünschen, wenn die Opfer von Säureattacken in der Gesellschaft etwas mehr Verständnis bekommen. Sie sind Helden des Alltags, weil sie versuchen müssen, mit dieser grausamen Tat fertig zu werden.

EN

Based on the life of Laxmi Agarwal, Deepika Padukone plays Malti in the movie Chhapaak, a  survivor of an acid attack (Chhapaak means Splash).

Why should you watch a movie about a woman who has survived an acid attack? Of course, this is not an easy topic. But I had several reasons: I was interested in how to deal with such a heavy incident. I wanted to know what are the consequences for the victims for the rest of their lives. I wanted to find out about the justice in this case because, as we know, it is not always easy for women in India to fight for their rights. I was interested in whether the topic is still controversial. The large number of viewers in the cinema made me conclude that many others also found the topic important. Above all, the proportion of men of Indian origin was unusually high. Usually, when it comes to women’s issues, there are only a few male viewers in the cinema.

I wonder how such a “tradition” could come about. It is not uncommon for women in India to be kept in their place. Most victims of acid attacks are women. Women who wanted to improve their social status. Men who are spurned choose this cruel way to make this woman unattractive to all other men. How the hell do you come up with such an incredibly inhumane method of destroying a person’s life? This person will suffer the consequences for the rest of their life. In the film Malti also admits that death would have been less painful. No number of tortureous operations, no grueling lawsuits for years. And also socially, the victims have to suffer for a lifetime. Everyone shivers at the sight of them. Everyone is staring at you. Everyone thinks you are „disabled“. Even when looking for a job you are almost without a chance, because apparently with a disfigured face you are automatically no longer considered mentally “normal”. How incredibly unfair.

Another terrible aspect: if you belong to the lowest caste of the untouchables, you will quickly become a victim of these acid attacks. And then hospitals refuse to help you. No chance.

And the punishment? Ridiculously, until a few years ago acid attacks were punished with no more than two years in prison. It is assumed that the attacked women did not behave correctly in society. In the movie the judge checked the phone of Malti and when it were seen that there was a larger number of male contacts, the fault was placed on Malti herself.

 Laxmi had the staying power to change some things in the legal system. Acid attack victims are now being awarded compensation and tougher case law is applied. She launched the “#StopSaleAcid” campaign. Acid can still be easily bought in any shop in India. There are still hundreds of cases of this cruel crime every year.

The images in the film are not too terrifying. There is always a soothing melody in the background. Otherwise, the topic would hardly be bearable. Deepika just plays so wonderfully that you feel with her. The topic won’t let you go so quickly. It must not be left behind. I think such films help. And it would be desirable if the victims of acid attacks got a little more understanding in society. They are everyday heroes because they have to try to cope with this cruel deed.

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Jeder hat ein Recht auf eine farbenfrohe Welt

EN

To shoot the movie „The Last Color“ was a heartfelt wish of celebrity chef Vikas Khanna and should become a matter of the heart for every human being who opposes the discrimination of women. In 2013, widows in Benares / Varanassi were allowed to celebrate Holi for the first time. Until then they were not allowed. Not allowed to celebrate Holi, not allowed to wear colors. In India it is a tradition that a widow must wear white. Widows have harsh restrictions and are excluded from society. In the past even the tradition of widow burning was accepted and carried out. Unimaginably cruel, especially when nobody questions these traditions. Because it has always been that way and still is, everything is accepted, even though it is cruel treatment. Vikas Khanna wants to use the film to encourage you to speak up when you don’t find something right, even if it’s a tradition. Just because it’s always been done that way, it doesn’t mean it has to be right.

In the movie the widow Noor befriends the untouchable little street girl Chhoti (means small) and both have the courage to overcome barriers of the society system of oppression and exclusion. Chhoti promises Noor to throw her favorite color pink at the next Holi party on her. She keeps her promise, even doing so creates serious repurcussions.

Vikas Khanna explained to us in the Q&A after the movie premiere that the little lead actress who played Chhoti is not very popular with filmmakers because she is a little bit complicated. But this little drama queen plays her part so incredibly well. She wins your heart from the very first moment. Even the widow Noor can’t resist this charming girl. Seeing how the joie de vivre returns to the widow Noor thanks to Chhoti is so heartwearming. Chhotis little friend in the movie also plays very terrificly. He really lives as a street boy in Varanassi and was prepared for appearing in the film in 2 days.

You can see and feel with every picture that Vikas Khanna fell in love with Varanassi. When Noor dances in the sunset your jaw drops, because these are such beautiful images. Beautiful pictures versus terribly cruel reality with corrupt and brutal policemen. Vikas is probably only able to show this brutality because he lives in NY. Otherwise we would be afraid that an angry Indian mob might do something to him. But even in the US, viewers had problems with the movie, for example, because it represents a transgender as a „normal“ person.

Vikas says the movie should move, upset, disturb. The movie did. He made the film for his mother and when he wanted to show her the movie she fell asleep while leaning on his shoulder. As a viewer, you will not fall asleep. This movie is a small miracle with a big message: question traditions, don’t just accept everything!

DE

„The Last Color“ ist eine wahre Herzensangelegenheit von Starkoch Vikas Khanna und sollte zur Herzensangelegenheit von jedem Menschen werden, der gegen Ausgrenzung und Benachteiligung von Frauen ist. Erst 2013 durften Witwen in Benares/Varanassi das erste Mal Holi feiern. Bis dahin war ihnen nicht erlaubt. Nicht erlaubt, Holi zu feiern, nicht erlaubt, Farben zu tragen. Eine Witwe hat nur noch weiß zu tragen. Witwen müssen unter völliger Abstinenz leiden und dürfen nicht mehr am Leben teilhaben. Früher war sogar die Tradition der Witwenverbrennung allgemein anerkannt. So grausam, vor allem, wenn nie jemand diese Traditionen hinterfragt. Weil es schon immer so war und ist, wird alles so hingenommen, obwohl es unmenschlich ist. Vikas Khanna möchte mit diesem Film Mut machen zu sagen, wenn man etwas nicht richtig findet, auch wenn es Tradition ist. Nur weil es schon immer so gemacht wurde, muss es nicht richtig sein. Im Film freundet sich die Witwe Noor mit dem unberührbaren Straßenmädchen Chhoti (klein) an und beide geben sich den Mut, Barrieren des Systems aus Unterdrückung und Ausgrenzung zu überwinden. Chhoti verspricht Noor, sie beim nächsten Fest mit Farbe zu bewerfen. Sie hält ihr Versprechen, auch wenn die Umstände tragischer sein werden, als einem lieb ist.

Vikas Khanna meinte im Q&A nach der Filmvorstellung, die kleine Hauptdarstellerin sei nicht sehr beliebt bei Filmemachern, da sie sehr kompliziert sei. Aber diese komplizierte kleine Drama-Queen spielt so unfassbar gut. Man muss sie vom ersten Moment ins Herz schließen. Wie die Witwe Noor dem Charme ebenso wenig widerstehen kann. Auch Chhotis kleiner Freund spielt so grandios. Er lebt wirklich als Straßenjunge in Varanassi und wurde in 2 Tagen filmreif gemacht. Und zu sehen, wie die Lebensfreude dank Chhoti in die Witwe Noor zurückkehrt ist herzergreifend. Dass Vikas Khanna sich in Varanassi verliebt hat, merkt man mit jedem Bild. Wenn Noor im Sonnenuntergang tanzt, bleibt einem der Mund offen stehen, weil es so schöne Bilder sind. Schöne Bilder versus furchtbar grausame Realität mit korrupten und brutalen Polizisten. Das in dieser schonungslosen Deutlichkeit zu zeigen geht wahrscheinlich nur, weil Vikas in New York lebt. Sonst müsste man schon Angst haben, dass ihm ein wütender indischer Mob etwas antut. Aber auch in den USA hatten Zuschauer Probleme damit, dass er z.B. den Transgender als „normalen“ Menschen darstellt. Vikas meint dazu, dass Kunst bewegen soll, aufregen, stören. Das hat er. Seine Mutter muss ein ganz besonderer Mensch sein. Er hat den Film für seine Mutter gemacht und sie ist beim Schauen an seiner Schulter eingeschlafen. Als Zuschauer wird man ganz bestimmt nicht einschlafen. Dieser Film ist ein kleines Wunderwerk mit großer Botschaft. Hinterfragt Traditionen, akzeptiert nicht einfach alles!

 

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Letzte Hoffnung: Hilfe vom Premierminister

Bei imdb hat jemand in einem Review geschrieben, dass der Film „Mere Pyare Prime Minister / My Dear Prime Minister“ mit seinem Versuch, gleichsam unterhaltend zu sein und eine sozialkritische Botschaft zu transportieren, gescheitert ist. Das sehe ich nicht so. Im Gegenteil. Ich fand es angenehm überraschend, dass ein Film mit so einem schwerwiegenden Thema so leicht unterhaltend daherkommen kann.

Wie schon in „Toilet“ wird hier den Zuschauern das Toilettendilemma in Indien vor Augen geführt. Da es kaum Toiletten gibt, müssen Frauen und Mädchen Nachts ihre Notdurft entfernt ihrer Wohnstätten verrichten und nicht selten werden sie dort Opfer von Vergewaltigung. Im Film passiert dies der Mutter eines kleinen Jungen aus den Slums von Mumbai. Um für seine Mutter nach diesem traumatischen Ereignis ein besseres Leben zu schaffen, versucht er seine Bitte um den Bau von Toiletten bis zum Premierminister vorzubringen, denn wem das Land gehört, auf dem sich der Slum befindet, ist gerichtlich nicht beschlossen, so dass hier nichts gebaut werden darf.

Die grausame Tat und ihre Auswirkungen auf die Mutter werden hier im Film ausreichend angedeutet und nicht für den Zuschauer extra dramatisch und schmerzhaft dargestellt, so dass das angenehme leichte Gefühl, das der Film hervorruft, nicht verloren geht. Ich fühlte mich, als würde ich mit den Menschen ein Stück weit zusammen leben und besonders die Kinder spielen alle einfach großartig mit. Und die Bilder sind qualitativ hochwertig und wunderschön. Der Film hinterlässt ein angenehmes leichtes Gefühl und das finde ich in Anbetracht des sozialkritischen Hintergrundes sehr bewundernswert. Auch wenn die reale Welt der Slums wahrscheinlich weit weg von dieser gezeigten Realität ist und es für einen Jungen aus dem Slum sicher alles andere als so einfach, seine Bitte vor den Premierminister zu bringen. Es ist auch mal schön, so ein positiv gewünschtes Leben zu sehen. Wieder mal ein kleiner überraschender Filmschatz, den man bei Netflix finden kann.

Zu sehen bei Netflix: https://www.netflix.com/de/title/80237006

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Delhi Crime – Es geschah im Jahr 2012

Die unfassbar brutale Vergewaltigung einer Frau durch sechs Männer im Jahr 2012 in Delhi wird niemand vergessen, der diesen Fall in den Medien verfolgte. Diese Gruppenvergewaltigung löste auch international großes Entsetzen aus und ist seitdem Ausgangspunkt für viele indische Filme zu diesem Thema, Grund für neue und härtere Gesetze zum Schutz von Frauen. Manchmal habe ich das Gefühl, es hat sich trotzdem noch lange nicht genug getan. Von daher ist diese Serie äußerst wichtig. Die Geschichte von Jyoti Singh Pandey, die zwei Wochen nach dem furchtbaren Leid, das ihr zugefügt wurde, ihren Verletzungen erlag, darf nie vergessen werden.

Kann man sich diese Serie wirklich antun? Ein realer Fall, an Brutalität gegenüber einer Frau nicht zu überbieten. In allen furchtbaren Details nachzuvollziehen. Ich gebe zu, ich konnte es nur vorsichtig. Eine Folge am Tag war genug. Das muss Frau sacken lassen. Die Szenerie ist aber spannend genug, dass man weiter schauen möchte. Sechs Jahre Recherche für dieses Projekt haben sich gelohnt. Vor allem beeindruckt hat mich die schonungslose Sicht auf den Polizeialltag. In vielen Filmen schon angedeutet, mit welch unkonventionellen Methoden die Polizisten ermitteln müssen, wird hier der schwere Polizeialltag in allen Problematiken beleuchtet: da fällt schon mal der Strom im Polizeirevier aus, weil das Budget des Reviers erschöpft war. Da kann sich der Verhaftete beim Weg über den Fluss losreißen, weil es keine Handschellen gibt und die Polizisten kommen nicht hinterher, weil sie nicht schwimmen können. Da werden sie von Richtern und Medien angefeindet, weil sie generell alle für korrupt gehalten werden und einige das auch sind, weil das Gehalt nicht im Geringsten ausreicht. Da muss man sich damit behelfen, was man in US-Crimeserien gesehen hat, um erfolgreiche Polizeiarbeit zu leisten. Polizisten in den USA, die leben aus ihrer Sicht einen wahren Traum. Sie haben Autos, Zeit für körperliches Training und vor allem genug Geld, um nicht korrupt sein zu müssen.

Leslee Udwin hatte für die BBC 2015 eine Dokumentation gedreht (India’s Daughter), die in Indien verboten wurde. Sie hatte einen der Täter interviewt, der in keinster Weise etwas bereut und der Frau die Schuld an der Vergewaltigung gab, da sie nicht abends „herumstreunen“ sollte. So wie bei ihm so gar kein Mentalitätswandel stattgefunden hat, scheint es bei noch so vielen Männern der Fall.

Der Tod der jungen Frau, die es wagte, sich gegen ihre Vergewaltigung zu wehren, darf definitiv nicht umsonst gewesen und die Aufarbeitung dieses Falls auch in dieser Form ist sehr wichtig.

Zu sehen bei Netflix: https://www.netflix.com/de/title/81076756 

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Manikarnika – die indische Jeanne d’Arc

Wenn sich all die Moguln und Maharadschas einig gewesen wären und wie Manikarnika an das Wohlergehen des gesamten Indien gedacht hätten, hätten die Briten damals vielleicht nicht so ein leichtes Spiel bei der Besetzung von Indien gehabt. So aber wurde Manikarnika aus den eigenen Reihen verraten und leider wissen wir aus der Geschichte, dass ihr unglaublich tapferer Widerstand gegen die Briten leider zu dem Zeitpunkt noch lange nicht die erhoffte Freiheit für ihr Land brachte. Sie wurde aber zu einer führenden Figur der Indischen Rebellion von 1857 gegen die East India Company und ging in die Geschichte ein.

Der Film sorgte schon beim Dreh für einige Kämpfe. Hauptdarstellerin Kangana Ranaut bestand darauf, dass Sonu Sood aus dem Film entfernt wurde, weil er ihrer Meinung nach durch seine starke Leinwandpräsenz die ihre schwächte. Er wurde dann durch einen anderen Schauspieler ersetzt. Da der Regisseur aber zu der Zeit schon für ein anderes Projekt drehte, führte sie selbst Regie für die Szenen mit dem Ersatz-Schauspieler. Nach der Fertigstellung des Films gingen dann die Querelen mit dem Verleih los. Der Verleih zog den Film zurück, da es Probleme mit dem Zwischenhändler der Rechte gab, die wohl nicht rechtzeitig gelöst werden konnten. So wurde der Film gar nicht wie angekündigt in größerem Umfang in den deutschen Kinos gezeigt. Zum Glück gibt es ja immer noch das Kino Babylon in Berlin, dass gesondert indische Filme zeigt. Plötzlich aber war der Film ausverkauft, was sich dann jedoch als Fehler im System erwies und der Kinosaal blieb unerwartet leer, wo sich sonst viele Inder mit uns tummeln. Zu guter Letzt kam es kurz vor Schluss noch zu einem Kurzschluss und der Film ging mitten in der letzten Schlacht aus. Was für ein unerwartet großes Drama dieser Film doch mit sich brachte!

Aus unserer Sicht war der Regiewechsel auch irgendwie zu merken. Während man am Anfang eher unbeteiligt die Geschehnisse betrachtete und sich nicht sonderlich emotional hinein gezogen wurde, fieberte man am Ende doch sehr mit Lakshmi Bai (Manikarnikas Name nach der Hochzeit) mit, wenn sie wie im Blutrausch Brite für Brite niedermetzelt, übersät mit Blutspritzern. Hach, was für ein grandioses Gemetzel im Kampf um die Freiheit. Und während Jeanne d’Arc auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, ließ sie sich gar nicht erst gefangen nehmen und verbrannte sich lieber selbst auf dem Schlachtfeld. Was für eine Heldin!!!

Ich würde sagen, in den letzten Zügen des Films wird er der originalen Heldin wahrscheinlich gerecht. Indische Filme, die heldenhafte Frauen auch mal als solche darstellen, gibt es leider viel zu wenig. Leider verpuffen aus meiner Sicht die Stunt-Effekte etwas. Das hat nicht im Ansatz die Qualität eines Bahubaali. Obwohl man diese Stunts in ihrer Absurdität schon eher witzig findet, bleibt es bei ihm doch trotzdem noch heroisch. Bei ihr wirkt es allzu irreal. Die echte Lakshmibai, Rani of Jhansi, konnte garantiert auch ohne Animation hervorragend reiten und fechten. Manchmal ist weniger mehr. Und ich finde es gut, dass Kangana der Frau genug Raum auf der Leinwand geben wollte, auf dass die Herren mal etwas verblassen, denn hier steht eine Frau im Mittelpunkt, die gefeiert werden sollte und nicht wie im sonstigen indischen Leben nichts wert ist.

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