Bollywoodelfe's Blog

Eine deutsche Sicht auf Bollywood, Indien , Pakistan

The power of Mandela

Ich möchte diesen tamilischen Film allen ans Herz legen, die herzlich über politische Satire lachen können. Diese Geschichte ist zwar fiktional, könnte aber genauso passiert sein und ist sehr einzigartig und mitreißend.

Ich gebe zu, am Anfang des Films brauchte ich eine Weile, mich darauf einzulassen, weil ich nicht so recht wusste, wohin die Streitereien und Prügeleien zwischen Nord- und Südbewohnern eines Dorfes führen werden, aber als dann immer klarer wurde, worum es hier ging, war es ein reines Vergnügen. Der Frisör des Dorfes, in der Hierarchie eher im unteren Bereich, kann in seiner Position extrem über sich hinauswachsen, weil er dank einer neu gewonnenen Identität (und hier erfahrt ihr auch, warum der Film Mandela heißt) zu einem so wichtigen Wähler in der Dorfpolitik wird, dass er die korrupten Politiker, die es gewohnt sind, sich Wählerstimmen zu erkaufen, derart an der Nase herumführt, dass es ein wahre Wonne ist zu sehen, wie jemand so gerissen die Machtgier der Politik zu seinen Gunsten nutzen kann. Er allein kann mit seiner Stimme über Sieg und Niederlage zweier Parteien entscheiden, und so buhlen die Parteien um seine Stimme mit allen Mitteln. Gut, irgendwann kommt der Punkt, wo er es übertreibt und alles eine sehr schlimme Wendung nimmt, aber letztlich, als er das Spiel um seine teure Wählerstimme nicht zu seinem persönlichen Vorteil nutzt, sondern zum Wohle des ganzen Dorfes, macht ihn das zu einem Helden und führt zu einem wunderbaren Ende.

So machtlos, wie man sich angesichts der korrupten Politiker besonders in Indien fühlen mag, hier schlägt jemand mit ganz viel Gerissenheit zurück und kann damit sogar Gutes für die Gemeinschaft bewirken. Quasi mit den eigenen Waffen geschlagen. Klasse Idee! Wunderbar unterhaltsame Umsetzung.

Hauptdarsteller Yogi Baba ist ein bekannter tamilischer Comedy-Schauspieler und passt einfach perfekt in diese Satire.

Es gab wohl Kontroversen zu diesem Film (wie glaube ich bei jedem indischen Film), weil sich z.B. die Frisöre in ihrem Berufsstand schlecht dargestellt fühlten. Kann ich nicht nachvollziehen. Ich finde nicht, dass hier jemand besonders schlecht dargestellt wurde. Alles nur allzu menschlich. Und letztlich endet der Frisör ja als Held.

Zu sehen bei Netflix: https://www.netflix.com/watch/81272107

P.S. ich weiß nicht, ob es ein Bug oder ein Feature ist, aber wenn ich den Film so bei Google suche und diese Option „Jetzt ansehen“ von Netflix wähle, dann kann ich ihn anschauen. Suche ich den Film bei Netflix, finde ich ihn nicht. Kann sein, dass er in Deutschland gar nicht verfügbar ist, aber ich konnte ihn über diese Variante trotzdem bei Netflix anschauen…
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Eeb Allay Ooo! – Affenschreck wider Willen

Indien ist wahrscheinlich das einzige Land in der Welt, in dem es den Beruf des Affenvertreibers gibt. Da in Indien unter anderem auch der Affengott Hanuman verehrt wird, werden Affen wie Götter behandelt und gefüttert. Diese Zutraulichkeit hat natürlich schwerwiegende Folgen: Affenbanden gehen auf Raub- und Plünderjagd und zerstören gern wichtige Dinge wie Sicherheitskameras an Gebäuden. Auch stellen sie natürlich ein Sicherheitsrisiko für alle Menschen dar. Ein Biss kann Tollwut und andere Krankheiten übertragen. Sie niedlich sie auch aussehen und zutraulich sind, sofern sie gefüttert werden. Sie sind immer noch Tiere. Deswegen müssen die Affen regelmäßig vertrieben werden. Aber bitte, ohne ihnen weh zu tun. Sie sind ja schließlich auch heilig. Hauptakteur Anjani verzweifelt im Film an diesem Job, den er aber machen muss, da es keine anderen Jobs für ihn gibt. So viele benötigen einen Job. Seine Versuche, mit allen Mitteln die Affen zu vertreiben, sind wirklich sehr unterhaltsam und urkomisch. Sein Kollege versucht, ihm die Laute beizubringen, mit denen sie die Affen verscheuchen sollen. Eeb Allay Ooo! Aber diese Laute kommen Anjani einfach nicht angst einflößend genug über die Lippen. Die Affen zeigen sich von teilnahmslos desinteressiert bis angriffslustig ihm gegenüber. Er ist ein sehr schlechter Affenvertreiber. Und er hat ja zu recht Respekt vor den Affen. Ich kann seine Angst sehr gut nachvollziehen. Auch ich halte lieber Abstand von freilaufenden Affen. Mir sind in Indien und Sri Lanka schon viele über den Weg gelaufen. Nichts ist passiert. Aber der Respekt bleibt. Man kann nicht einschätzen, wie sie reagieren. In dieser Situation z.B. fühlte ich mich sehr unangenehm, als sich die Affen so ganz nah zu uns setzten. Die Mönche hingegen waren sehr entspannt und gelassen. 

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Anjani hat aber keine Wahl. Er muss diesen Job machen. Er lässt sich gute Dinge einfallen, die Affen auf Abstand zu halten. Aber diese Ideen finden bei seinem Chef keinen Anklang und bringen ihm immer Ärger ein. Oft geht es auch gewalttätig zu. Er braucht diesen Job aber unbedingt. Er lebt mit seiner schwangeren Schwester und ihrem Ehemann im Slum in einer kleinen Unterkunft. Auch wenn alle schwer arbeiten, kommen sie kaum über die Runden. Die Frauenärztin schimpft auf den Ehemann, der seine Frau hochschwanger schuften lässt, aber sie haben keine Wahl. Sie brauchen jede Rupie, um zu überleben. Anjani kann es sich nicht leisten, seinen Job zu verlieren. 

Indische Filme schaffen es immer wieder, Gesellschaftskritik mit einer gehörigen Portion Humor zu verbinden. Über die Situationen mit den Affen kann man wirklich herzhaft lachen. Auf der einen Seite jemand, der verzweifelt versucht, sie zu vertreiben. Auf der anderen Seite schon fast gelangweilte Affen, die dem Vertreibenden sehr viel mehr Angst machen. Die Geschichte dahinter, der Versuch, das tägliche schwere Leben zu meistern, ist eine von Millionen in Indien, aber sollte einem immer wieder vor Augen geführt werden. Die Slums werden gern vor der Öffentlichkeit versteckt. Donald Trump ist gerade in Indien zu Besuch und es werden Mauern hochgezogen, um die Slums zu verstecken, an deren Trumps Kolonne vorbeikommen könnte. Die Filmemacher wissen nicht, wie viel vom wirklichen Indien hier in Europa ankommt. Sie wollen zeigen, wie die Leute leben müssen, die die großen Häuser bauen, damit Indien vor allem Wohlstand und Modernität suggeriert. Die aber kaum davon leben können. Auch das ist Indien.

Die Filmemacher haben den Film so gestaltet, dass er wie eine Dokumentation wirkt. Also das reale Leben widerspiegelt. Die Herausforderung war, die Stadt mit einzubeziehen, ohne als Filmteam sichtbar zu sein. Das ist ihnen sehr gut gelungen. 

Mit meinem Wissen darüber, wie man Affen sehr effektiv verjagen kann, wäre der Film deutlich kürzer gewesen. Ich habe in Sri Lanka gelernt, dass man nur eine Gorillamaske aufsetzen muss und schon sind alle Affen weg. Aber der lange Weg des Herausfindens, wie man Affen ohne Gewalt vertreiben kann, ist sehr lustig anzusehen. Das ist der feinfühlige Humor, den ich schätze. Zusammen mit der Tiefe, die das reale Leben in Indien mit allen Schwierigkeiten zeigt. Wunderbar!

EN

India is probably the only country in the world where the profession of monkey chaser exists. Since the monkey god Hanuman is also worshipped in India, monkeys are treated and fed like gods. Of course, this contact with humans has serious consequences: gangs of monkeys hunt and plunder and like to destroy important things like security cameras on buildings. In addition, they also represent a safety risk for all people. A bite can transmit rabies and other diseases. They look cute and seem harmless when being fed. But they are still animals. That is why the monkeys have to be driven out regularly from important buildings or tourist spots. But carefully, without hurting them. After all, they are also holy. In the film the main actor Anjani is not doing very well in this job, but he has to do it because there are no other jobs for him. His attempts to chase away the monkeys by any means are really entertaining and hilarious. His colleague tries to teach him the sounds with which they are supposed to scare away the monkeys. Eeb Allay Ooo! But these sounds just don’t come out scary enough across his lips. The monkeys‘ reactions range from disinterested to aggressive. He is a very bad monkey chaser. I can understand his fear very well because he has a good reason to respect the monkeys. I also prefer to stay away from free-range monkeys. I have come across many monkeys in India and Sri Lanka and luckily nothing has happened. But the respect remains. You cannot assess how they react.

Anjani has no choice. He has to do this job. He comes up with good ways to keep the monkeys at a distance. But these ideas are not well received by his boss and always get him in trouble. His boss becomes violent with him. But he absolutely needs this job. He lives with his pregnant sister and her husband in a slum. Even if everyone works hard, it’s hard to survive for them. The gynecologist scolds the husband, who has his wife working while she is pregnant, but they have no choice. You need every rupee to survive. Anjani cannot afford to lose his job.

Indian films always manage to combine social criticism with a nice dose of humor. You can really laugh heartily at the situations with the monkeys. On the one hand, you have someone who is desperately trying to chase them away. On the other hand, you have almost bored monkeys which scare the chaser much more. The story behind it, the attempt to cope with the difficulties of daily life and should always be kept in your mind. The slums are often hidden from the public. Donald Trump is currently visiting India and walls are being built to hide the slums that Trump’s convoy might pass. The filmmakers don’t know how exposure Europeans have to the realities of life in India. They want to show how hard it is for the people to survive, the very people who build all the big houses that allow India to project an image that suggests prosperity and modernity. That is also Indian.

The filmmakers have designed the film so that it looks like a documentary. It reflects real life. The challenge was to involve the city without being visible as a film team. They succeeded very well.

With my knowledge of how to chase away monkeys very effectively, the film would have been much shorter. I learned in Sri Lanka that you only have to put on a gorilla mask and all the monkeys are gone. But the long road of figuring out how to drive away monkeys without violence is very funny to watch. That is the sensitive sense of humor that I appreciate. Along with the depth shows that real life in India with all it’s difficulties. Wonderful!

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Article 15 – Polizeiarbeit mit Hindernissen

In der Verfassung von Indien wird im Artikel 15 die Diskriminierung aus Gründen der Religion, der Rasse, der Kaste, des Geschlechts oder des Geburtsortes verboten. 

In Indien gibt es viele fortschrittliche Gesetze, die aber angesichts von Traditionen, die schon jahrhundertelang von Generation zu Generation weitergeben werden, in der Praxis kaum durchzusetzen sind. Das betrifft vor allem die Diskriminierung aufgrund einer Kaste. Das aktuelle Beispiel einer Grundschule in Indien zeigt dies deutlich: Kinder einer höheren Kaste bringen sich ihre eigenen Teller fürs Essen mit, weil sie nicht von Tellern essen möchten, von denen auch schon Kinder niederer Kasten gegessen haben. Dies haben sie so von ihren Eltern gelernt. Da können die Lehrer auch noch so viel Gleichheit lehren, wenn man vom Elternhaus schon so indoktriniert wird, setzt sich das im Kopf fest, dass man etwas Besseres ist. Und warum sollte man als besser gestellter Mensch jemals etwas unternehmen, um Gleichheit zu schaffen. Man möchte ja seine Vorteile gegenüber niederen Kasten nicht einfach so abgeben. 

Im Film wird Polizeibeamte Ayan von Delhi in ein kleines Dorf zwangsversetzt, weil er zum Innenminister nach einer Rede zu ihm meinte “Cool Sir”. Irgendwie absurd, dass ein eigentlich sehr positiv gemeinter Kommentar als Unhöflichkeit wahrgenommen wird, so dass es ein Grund für eine Versetzung ist. Ich kann mich noch erinnern, wie meine Schwester vor 10 Jahren einmal zu einem unserer Geschäftsführer “Na, alles cool?” sagte. Alle Personen, die das mitbekommen haben, erstarrten zu Salzsäuren. Der Geschäftsführer ignorierte den Anfall jugendlichen Leichtsinns einfach und der Vorfall blieb ohne Folgen. Heute duzen wir unsere Chefs und wir könnten ohne Bedenken „cool“ zu ihnen sagen. In Indien ist man offensichtlich noch nicht so verständnisvoll.

Wie auch immer, der Polizeibeamte muss sich jetzt erstmal mit dem Dorfleben arrangieren. Abgesehen davon, dass mal einige Dinge repariert werden müssten, funktioniert das mit der Polizeiarbeit auch nicht so richtig und es begegnen ihm Situationen in denen deutlich wird, dass hier die niederen Kasten diskriminiert werden. Auch ihm begegnet die Situation, dass ihm schnell ein anderer Teller gereicht wird, obwohl er selbstverständlich vom Teller seines Kollegen gegessen hätte.

Aus dem Dorf sind 3 Mädchen verschwunden. Zwei werden im Laufe der Ermittlungen tot aufgefunden. Sie sind aus einer niedrigen Kaste und wollten mehr Geld für ihre (Kinder-)Arbeit. Die Polizei will kein Aufsehen und sich mit niemandem “anlegen” und behauptet, die Väter der Mädchen hätten diese aus Wut und Scham getötet weil sie untereinander intim waren. Sie sollen zur Falschaussage gezwungen werden. Einige Polizeibeamte wollen die Sache unter allen Umständen unter den Teppich kehren, weil wichtige Leute mit in die Sache verwickelt sind. Sie werfen Ayan vor, er würde ja nach dem Fall wieder nach Delhi zurückkehren und sie müssten danach in Todesangst hier weiterleben. Doch Ayan lässt nicht locker, vor allem bei der Suche nach dem dritten verschwundenen Mädchen, das offensichtlich fliehen konnte und der Aufklärung, dass es Vergewaltigung war. Er wird von verschiedenen Personen daran gehindert, diesem Fall weiter nachzugehen. Fast scheint es unmöglich, den Fall noch aufzuklären, denn er wird auch noch suspendiert. Die Auflösung des Films möchte ich hier nicht verraten.

Für mich persönlich ging es in dem Film zwar auch um Diskriminierung, aber vor allem auch um Korruption, Klüngelei und Vertuschung innerhalb der Polizei.

Ich bin eigentlich kein Fan von Krimis, aber hier wird so sensibel und kinematographisch einfühlsam mit den Missständen der indischen Gesellschaft umgegangen, vor allem wieder einmal wie stark das politische Umfeld Einfluss auf alles hat, dass ich den Film auch Nicht-Krimi-Fans ans Herz legen kann.

Zu sehen bei Netflix: https://www.netflix.com/de/title/81154455

EN

The Indian Constitution prohibits discrimination based on religion, race, caste, gender or place of birth. In India, there are many progressive laws but it’s difficult to enforce them because centuries of traditions are stronger than laws passed by the government, especially regarding the discrimination of a caste. The latest example shows that oppression: children of a higher caste in a primary school bring their own plates for lunch, because they don’t want to eat from plates which the children of low castes have used. This is what they have learned from their parents. Teachers can still teach so much about equality but if you are so indoctrinated by your parents, you think that you are better than others. And why, as a better-off person, should you ever do anything to create equality? You don’t want to give away your advantage over lower castes.

In the film, police officer Ayan is forcibly transferred from Delhi to a small village because he told an important minister after a speech: „Cool, Sir.“ It’s somehow absurd that a really very positively meant comment is perceived as rudeness, and becomes a reason for a transfer. I can still remember how my sister once said to one of our CEOs 10 years ago „Well, everything cool?“ All those who heard it were petrified. The manager simply ignored the fit of youthful silliness and the incident was forgotten without consequences. Today we could say cool to them without hesitation. Obviously in India they are not that understanding yet.

Anyway, the police officer has to come to terms with the village life. Apart from the fact that some things have to be repaired, in the police station and it’s not going well, he encounters situations in which it becomes clear that the lower castes are being discriminated. For example  if he wants to eat from the same plate of a colleague and a new one is served to him.

Three girls from the village have disappeared. Two are found dead in the course of the investigation. They are from a low caste and wanted more money for their work. The police don’t want to stir up the situation and confront anyone, claiming that the girls‘ fathers killed them out of anger and shame because they were intimate with each other. The father should be forced to make false statements. Some police officers want to cover up the situation under all circumstances because important people are involved. They mention to Ayan that when he returns to Delhi after the clarification of the case they will have to remain living here in mortal fear. But Ayan doesn’t want to give up, yet hoping to find the third missing girl who could obviously escape and the clarification that it was rape. Various people tried to stop him from continuing to investigate the case. At one point, he was suspended from the case, making it seem almost impossible to clarify the case. I don’t want to reveal how the film turns out, but everything makes sense at the end.

For me personally, the film was also about discrimination, but above all about corruption, cronyism and cover-ups within the police.

Actually, I’m not a fan of crime thrillers, but the subject is cinematographically so sensitively dealt with, especially how strongly the political environment has an influence on everything and the movie pays attention to the various abuses in India that makes the daily life so difficult for many people.

 

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Super Deluxe – Super grotesk

[Achtung Spoiler]

Stell dir vor, du und dein Sohn warten seit 7 Jahren darauf, dass dein Ehemann und Vater deines Sohnes zurück kommt und als er dann endlich mit dem Taxi eintrifft, steigt ein Transvestit aus dem Auto. Der einzige Mensch auf dieser Welt, der mit dieser Situation zurechtkommt, ist der kleine Sohn, der seinen Vater in welcher Form auch immer liebt und sich auch nicht scheut, ihn endlich seinen Freunden in der Schule vorstellen zu können, damit sie ihn nicht mehr als Retortenbaby hänseln können. Doch mit all den anderen Menschen in seinem Umfeld gerät der Heimgekehrte in jeder Situation in Konflikt. Ein Transvestit ist keine Person, die mit einem kleinen Jungen herumspazieren darf. Die Begegnung mit der hiesigen Polizei hat dramatische Folgen…

Oder stell dir vor, du betreibst gerade Ehebruch im ehelichen Bett und der Geliebte stirbt in diesem Augenblick. Das sogenannte „Happy End“ hat ihn ereilt. Ehemann und Nachbarn kommen gleichzeitig vorbei und aus Scham vor der Schande, dass seine Frau ihn betrogen hat, will der Ehemann die Leiche lieber verschwinden lassen, anstatt zur Polizei zu gehen. Eine Leiche verschwinden zu lassen ist schon ein schweres Unterfangen…wenn am Ende aber auch noch die Polizei ihre Hände im Spiel hat, dann kann es nur dramatisch enden.

Oder stell dir vor, du willst mit deinen Kumpels einen Porno anschauen, den du dir wirklich mühsam beschafft hast und dann siehst du, wie die Hauptdarstellerin, den Rücken zugewandt, sich langsam umdreht und…es ist deine Mutter. Dem Wahnsinn verfallen rennst du wie ein Irrer nach Hause, um deine Mutter umzubringen und verletzt dich dabei selbst schwer. Ob du zu retten bist? Dein Vater entführt dich in einen Tempel, weil er fest daran glaubt, dass nur Gebete helfen können. Deine Mutter hat kein Geld für eine Behandlung und der Arzt will ihr auch keine Niere abkaufen…

Klingt alles ganz schön abgedreht? Und wie. Viele sagen, Super Deluxe ist der „Pulp Fiction“ des tamilischen Kinos. Die Handlung besteht aus drei Episoden. Man hat viele WTF-Momente und die schwarze Komödie beschreibt eine Gesellschaft, die von Brutalität und grotesken Zufällen beherrscht wird. Besonders in Erinnerung bleibt mir der Flüsterton. Absurde Situationen mit Flüsterton untermalt machen einen fast verrückt. Definitiv ein einzigartiger Film. Für einige vielleicht zu experimentell, zu absurd, zu deprimierend. Soviel unschöne Wahrheit enthaltend. Auf jeden Fall ein Film, den man so schnell nicht vergisst. Vor allem auch wegen solcher Szenen, in denen Themes von bekannten Filmen mit indischen Instrumenten variiert werden:

Zu sehen bei Netflix: https://www.netflix.com/de/title/81128584

EN [spoiler alert]

Imagine that you and your son have been waiting for 7 years for your husband and your son’s father to come back and when he finally arrives by taxi, a transvestite gets out of the car. The only person in this world who can handle this situation is your little son, who loves his father in whatever shape and he also does not hesitate to introduce him to his friends in the school, so that they no longer accuse to him of being a fertility clinic baby. But returning home after assuming a new gender, the father finds himself constantly running into conflicts. For example a transvestite is not a person allowed to walk around with a little boy. The encounter with the local police has dramatic consequences…

Or imagine you are committing adultery in your bed and your lover dies in the middle oft he act. For the lover in the film the so-called „happy ending“ has done him. Your husband and the neighbors rush over at the same time and  ashamed that his wife has cheated him, your husband wants the body to „disappear“ rather than go to the police. To make a corpse disappear is however a difficult task … but in the end, when the corrupt police play along, then everything will end dramatically.

Or imagine, you want to watch a porn with your buddies and then you watch as the leading actress slowly turns around and realize… it’s your mother. Going insane, you rush home like a madman to kill your mother, injuring yourself seriously in the process. Will you be saved? Your father holds  you captive in a temple because he believes that only prayers can help. Your mother has no money for your hospital treatment and the doctor turns down her offer to buy her kidney to pay for the treatment…

Does everything sound really crazy? Yessssss! Many say Super Deluxe is the „Pulp Fiction“ of Tamil cinema. The plot consists of three episodes. There are many WTF moments and the black comedy describes a society ruled by brutality and grotesque coincidences. I especially remember the whispering dialogues. Absurd situations accompanied by whispering drive you crazy. Definitely a unique movie. For some maybe too experimental, too absurd, too depressing. The movie contains a lot of unsightly truth. Definitely a movie that you will not forget soon. Especially because of the scenes in which scores from well-known films are played on Indian instruments.

 

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Letzte Hoffnung: Hilfe vom Premierminister

Bei imdb hat jemand in einem Review geschrieben, dass der Film „Mere Pyare Prime Minister / My Dear Prime Minister“ mit seinem Versuch, gleichsam unterhaltend zu sein und eine sozialkritische Botschaft zu transportieren, gescheitert ist. Das sehe ich nicht so. Im Gegenteil. Ich fand es angenehm überraschend, dass ein Film mit so einem schwerwiegenden Thema so leicht unterhaltend daherkommen kann.

Wie schon in „Toilet“ wird hier den Zuschauern das Toilettendilemma in Indien vor Augen geführt. Da es kaum Toiletten gibt, müssen Frauen und Mädchen Nachts ihre Notdurft entfernt ihrer Wohnstätten verrichten und nicht selten werden sie dort Opfer von Vergewaltigung. Im Film passiert dies der Mutter eines kleinen Jungen aus den Slums von Mumbai. Um für seine Mutter nach diesem traumatischen Ereignis ein besseres Leben zu schaffen, versucht er seine Bitte um den Bau von Toiletten bis zum Premierminister vorzubringen, denn wem das Land gehört, auf dem sich der Slum befindet, ist gerichtlich nicht beschlossen, so dass hier nichts gebaut werden darf.

Die grausame Tat und ihre Auswirkungen auf die Mutter werden hier im Film ausreichend angedeutet und nicht für den Zuschauer extra dramatisch und schmerzhaft dargestellt, so dass das angenehme leichte Gefühl, das der Film hervorruft, nicht verloren geht. Ich fühlte mich, als würde ich mit den Menschen ein Stück weit zusammen leben und besonders die Kinder spielen alle einfach großartig mit. Und die Bilder sind qualitativ hochwertig und wunderschön. Der Film hinterlässt ein angenehmes leichtes Gefühl und das finde ich in Anbetracht des sozialkritischen Hintergrundes sehr bewundernswert. Auch wenn die reale Welt der Slums wahrscheinlich weit weg von dieser gezeigten Realität ist und es für einen Jungen aus dem Slum sicher alles andere als so einfach, seine Bitte vor den Premierminister zu bringen. Es ist auch mal schön, so ein positiv gewünschtes Leben zu sehen. Wieder mal ein kleiner überraschender Filmschatz, den man bei Netflix finden kann.

Zu sehen bei Netflix: https://www.netflix.com/de/title/80237006

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Vom „Sir“ zu Ashwin

Ich ärgere mich oft über die deutschen Filmtitel-Übersetzungen indischer Filme. Meist sind sie besonders schwülstig. Als wollte man einer gewissen Klientel gerecht werden wollen. Damit verschreckt man aber meiner Meinung nach garantiert potenzielle Filmzuschauer, die sich bei dieser Übersetzung „Die Schneiderin der Träume“ wahrscheinlich eine grauenvolle indische Schmonzette vorstellen, was aber mitnichten der Fall ist! Im Original „Sir“, im französischen „Monsieur“…das trifft es viel besser. Man hätte natürlich auch die starke Frau vertiteln können, die trotz ihrer gesellschaftlich katastrophalen Stellung als Witwe und Hausmädchen versucht, das Beste aus ihrem Leben zu machen. Aber nein, Schneiderin der Träume! Geht es noch schmalziger?

Natürlich ist es wahrscheinlich sehr sehr selten und etwas zu romantisch gedacht, dass sich ein „Reicher“ in sein Hausmädchen verliebt und sie gut behandelt. Aber die Umstände sind alle sehr real: ihre Probleme mit der Gesellschaft, die eine solche Beziehung nie dulden würde, ihre Flucht aus dem Dorf, in dem ihr Leben als Witwe zu Ende gewesen wäre, ihr Kampf um neue Perspektiven mit einer Ausbildung als Schneiderin, die rüde Art, wie die reichen Freunde ihres „Sir“ sie behandeln. Eine Beziehung zwischen diesen zwei Welten wäre für alle Seiten undenkbar. Aber ihrem „Sir“ ist das egal. Er hat endlich eine Person gefunden, die ihn versteht. Und deren Träume er gern unterstützt.

Ein zauberhaftes Pärchen! Tillotama Shome als Ratna ist mir noch sehr gut aus „Manto“ in Erinnerung, aber auch aus „Hindi Medium“ und natürlich einer meiner Einstiegsdrogenfilme „Monsoon Wedding“. Vivek Gomber als Ashwin hat schon in „Court“ mitgespielt. Man wünscht sich während des Films unbedingt, dass sich bei den Beiden etwas entwickelt, da sie einfach sehr gut zusammen passen. Das letztliche „Happy End“ kann sich jeder in seiner Fantasie ausmalen, denn das Ende ist relativ offen.

Der Film hat bei Rotten Tomatoes glatte 100% Bewertung bekommen. Es ist definitiv nicht nur ein Film für Frauen, die nach romantischen Taschentuchfilmen suchen, sondern ein lehrreicher Film, der die indische Gesellschaft mit ihren problematischen Facetten darstellt und nebenbei sehr gefühlvoll, aber niemals auf eine übertriebene Bollywood-Art, sondern ganz natürlich. Sehr schön anzusehen!

 

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Aruvi – am Abgrund

Wenn ein Vater seine Tochter aus dem Haus wirft, weil er glaubt, sie lügt in einer schwerwiegenden Sache: welche Chancen hat die junge, auf sich allein gestellte Frau am Rande der Gesellschaft dann, dass sie von irgendjemandem angehört wird, wenn ihr etwas Schlimmes widerfährt? Daran zu Grunde gehen…oder einen ziemlich radikalen Weg gehen? Die junge „rebellische“ Frau Aruvi wählt einen für den Zuschauer sehr überraschenden und dramatischen Weg.

Bis dahin sehen wir das Leben von Aruvi im Zeitraffer. Wohlbehütet und heißgeliebt vom Vater wächst sie in einer Gegend mit schöner Natur auf. Eine glückliche Kindheit mit viel Liebe.

Dann ziehen sie in die Stadt. Dort geht sie zur Schule und hat später eine tolle beste Freundin, mit der sie das Leben genießt. Irgendwann passiert etwas Dramatisches und sie muss von zu Hause weg. Doch anstatt zu verzweifeln und zu verlottern, macht sie zusammen mit einem Transgender diese ganz andere Welt zu einem neuen Zuhause, in der sie auch Freude haben kann.

Plötzlich sitzt sie in einem Fernsehstudio und klagt 3 Männer an, sie vergewaltigt zu haben. Den eigentlichen, dramatischen Hintergrund dieser Aktion erfährt der Zuschauer dann Knall auf Fall und ich war mit diesen Ereignissen, die so gar nicht abzusehen waren erst einmal so überfordert, dass ich nicht mehr wusste, was ich glauben sollte. War das jetzt wirklich Ernst? Was stimmt hier und was nicht?

Soviel ist klar: der Film wirft auch im Nachhinein viele Fragen auf. Und ist vollbepackt mit jeder Menge Gesellschaftkritik. Am besten ist die Szene, in der Aruvi der Moderatorin der Wahrheitssendung wie aus der Pistole geschossen in einem minutenlangen Monolog, ganz Poetry Slam-mäßig ihre Sicht auf die ach so feine Gesellschaft herunterpredigt, in der man nur etwas wert ist, wenn man Geld hat und in der es nur im Materielle Dinge geht. Einfach großartig und beeindruckend vom Leder gezogen! Und dann gibt es da noch so viel, was in dem Film kritisch dargestellt wird…die Behandlung von „Randgruppen“ der Gesellschaft, was die Medien mit den Menschen machen, was die Vorverurteilung von Ereignissen betrifft…eigentlich viel zu viel für einen Kinoabend, aber sehr unterhaltsam und auf jeden Fall spannend und dramatisch und nachhaltig nachwirkend.

Fazit: sehenswertes sozio-politisches Drama mit tollen Schauspielern

 

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Peepli Live – Bauernselbstmord als letzter Ausweg

Dieser schwarzhumorige Film lief auf der Berlinale 2010 und wurde sogar für den deutschen Markt als DVD veröffentlicht.  Seit heute gibt es ihn auch bei Netflix zu sehen.

Über das eigentlich sehr bedrückende Schicksal der Bauern in Indien einen Film zu sehen, in dem sich vor lauter Asburdität Szenen ergeben, in denen man herzhaft lachen kann scheint an sich schon absurd, aber funktioniert. Schwarzer Humor vom Feinsten. Als dem Bauern Nathan droht, Haus und Hof zu verlieren, und er und sein Bruder in einem Gespräch mithören, dass es ein Programm der Regierung gibt, die für die Hinterbliebenen von Selbstmördern 100.000 Rupien bereitstellt, sieht sein Bruder dies als letzten Ausweg aus ihrer Misere und schon ergibt sich die erste Szene zum Lachen, als sie sich darüber streiten, wer von den beiden sich denn nun umbringt. Am Ende läßt der ältere Bruder dem Jüngeren den Vortritt. Von diesem Vorhaben erfährt nun ein Lokalreporter und die Geschichte wird zum Medienereignis. Manche Politiker reden ihm zu, andere halten ihn ab. Die Menschen gehen in einer Umfrage davon aus, dass es einen islamistischen Hintergrund gibt bzw. die Amerikaner an allem Schuld sind…hier werden auch die Medien ordentlich aufs Korn genommen, in deren Reihen die Regisseurin selbst jahrelang tätig war.
Die Regisseurin hat an diesem Film sechs Jahre lang gearbeitet und diese intensive Arbeit macht sich wirklich bezahlt. Für den Dreh mussten zu dem Drehort extra Straßen gebaut werden. Die Schauspieler stammen zum Teil aus der örtlichen Theatergruppe. All dies macht den Film sehr real.
Damit die Ernsthaftigkeit trotz aller Spaßigkeit nicht verloren geht, wird am Ende des Films noch einmal mit Zahlen darauf hingewiesen, wie tragisch sich die Situation der Bauern in Indien darstellt. Die Regisseurin möchte anmahnen, dass man in Indien nicht nur die großen Städte im Blick haben sollte, sondern dass es immer noch ein Dritte-Welt Land ist, in dem 70% der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben und man nicht versuchen kann, dieses Land mit den Maßstäben eines Erste-Welt-Landes zu führen.
Dieser Film hat es geschafft, ein wirklich ernstes Thema so auf die Leinwand zu bringen, dass man wunderbar unterhalten wird. Ob man durch den Film für dieses Thema sensibilisiert wird, kann ich nicht sagen, da ich mich auch schon vor dem Film damit befasst habe (siehe Monsanto und die Bauern-Selbstmorde in Indien). Aber diese Art des schwarzen Humors finde ich unbedingt sehenswert!

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pk – wenn ein Alien die Menschheit erforscht…

…gibt es in jedem Fall etwas zu lachen!

Aber nicht nur das! pk ist einer dieser ganz besonderen Filme (wie immer, wenn Aamir Khan mitmischt) und es zerreißt mir das Herz, dass sich bisher so wenig Zuschauer in den Kinos eingefunden haben. Von daher ist es mir eine Herzensangelegenheit, für die letzten verbleibenden Kinotage Werbung zu machen für diesen einzigartigen wunderbaren Film.

Als nicht religiöser Mensch stehe ich sowieso immer ungläubig vor dem, was im Namen der Religion an Unmenschlichkeit auf dieser Welt geschieht. pk thematisiert dieses Thema, an dass sich ja kaum jemand heranwagen kann, ohne gemeuchelt zu werden, mit einem ganz einfachen Trick: ein Alien erkundet die Welt und wird ziemlich schnell und mit aller Macht mit dem Thema Religion konfrontiert. Er tritt in allerlei Fettnäpfchen und abgesehen von der ohnehin schon schwierigen Situation, dass Menschen nie wirklich das sagen, was sie meinen, muss er gerade, was die Religion betrifft, einen Schlag nach dem anderen einstecken und versucht, dieses Thema mit seinem logischen Verständnis zu analysieren und das Problem zu lösen. Dabei geht er unschuldig vor wie sonst Kinder. Ganz ohne Hintergedanken einfach gerade heraus werden von ihm sehr wichtige Fragen gestellt.

Ich weiß nicht, ob religiöse Menschen sich überhaupt wirklich neutral mit diesen Fragen auseinander setzen können. Ich denke, das Herz spielt dabei eine zu große Rolle. Ich finde aber diese Herangehensweise einfach nur genial, Augen öffnend und ich liebe diesen Film dafür, dass er versucht wie kein anderer, das Verständnis füreinander wenigstens ein klein wenig zu verbessern.

Und dieser dramatische Showdown! Bäm! Unerwartet, grandios! Auch wenn es nun wirklich absolut unrealistisch erscheint, dass jemals so etwas passieren würde, aber hey, das ist ganz großes (Bollywood)-Kino, von dem auch nicht Bollywood-Zuschauer jeden Menge Hirndurchpustung im positiven Sinne erhalten können. Auch aus der vielfältigen Welt der Religionen lernt man die ein oder andere wunderliche Aufopferung kennen und man darf die ganze Zeit über die Menschheit schmunzeln, deren komische Verhaltensweisen der Alien so sympathisch entlarvt.

Und abgesehen davon, ist so viel vom wunderschönen farbenfrohes Rajasthan zu sehen. Eine Wohltat für die Augen!

Großes zu unterstützendes Weltverbesserungskino, dass niemanden mit schlechten Gedanken aus dem Kino gehen lässt, sondern erkenntnissreicher, humorvoll unterhalten und hoffentlich ein klein wenig offener im Herzen. ❤

Aamir Khan wurde wegen diesem Film natürlich mal wieder sehr von fanatischen Hinduisten angegriffen, die ihre Religion ins Lächerliche gezogen sahen. Boykottiert werden sollte alle großen Khan-Schauspieler, einige Kinos wurden sogar von Fanatikern zerstört. Zum Glück ist der Film in Indien überaus erfolgreich gelaufen. Aamir Khan sollte für seinen Mut unbedingt belohnt werden!

Seit 29.08.18 bei Netflix: https://www.netflix.com/de/title/70303496 

 

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