Bollywoodelfe's Blog

Eine deutsche Sicht auf Bollywood, Indien , Pakistan

Super 30 – Mathematiker wird zum realen Superhelden

Es kommt einem wie eine Geschichte aus einer anderen Welt vor: Kinder, die alles dafür tun würden, zur Schule gehen zu dürfen. Aber es ist keine andere Welt. Das ist Indien und betrifft Familien, die nicht das Geld für die Schulbildung ihrer Kinder aufbringen können. Für die Kinder ist Bildung aber der einzige Weg zu einer besseren Zukunft.

„Super 30“ basiert auf dem Leben des in Patna lebenden Mathematikers Anand Kumar, der das berühmte Super 30-Programm für IIT-Aspiranten leitet (ist eine akademische Prüfung, die jährlich in Indien stattfindet). Anand Kumar ist ein real-life Superheld, der armen Kindern die Chance auf Bildung gibt, die sie sich sonst nicht leisten könnten. Dafür gab er all seine Ersparnisse und fast auch sein Leben.

Ja, es gibt sie noch, die guten Menschen auf dieser Welt. Den ganzen Tag ist man umringt von den Nachrichten über die schlimmen Dinge, die auf dieser Welt passieren, dass es einem fast wie ein Wunder vorkommt zu sehen, wie sich ein Mensch für andere Menschen einsetzt, damit ihnen ein besseres Leben ermöglicht werden kann. Und hier wird nicht nur den armen Kindern durch Bildung eine Chance gegeben, aus ihrer Situation herauszukommen. Dies hat auch Einfluss auf ihre Familien, und Generationen danach. Die Hilfe potenziert sich. Und das hat ein Mann geschafft, der sich trotz aller wirklich unfassbar großen Schwierigkeiten nicht davon abbringen ließ und lässt, diesen Kindern ohne Bezahlung Bildung zu geben. So viel menschliche Züge von einem Mathematik-Genie grenzen schon fast an ein Wunder. Zahlen-Menschen sind ja oft im sozialen Umgang etwas zu zahlentechnisch. So erklärt Anand zum Beispiel seiner Freundin, dass die Formel ihres Gesichts leider nicht das Pi hat, welches die höchste Form der Schönheit darstellt.

Ich gebe zu, die dunkle Schminke von Hritikh Roshan als Anand wirkte etwas gewöhnungsbedürftig. Im Laufe des Films gewöhnt man sich aber daran. Ich finde, er hat den realen Helden insgesamt sehr gut dargestellt.

Besonders gelungen fand ich die Szenen, als die Kinder sich in Kevin-allein-Zuhause-Manier gegen ihre potenziellen Mörder wehren müssen (da die Schule, die dafür bezahlt wird, sich gegen diese Konkurrenz wehrt und auch nicht vor Mord zurück schreckt) und sich mit Hilfe ihres gelernten Wissens über physikalische Gesetze zu helfen wissen und triumphieren. Angewandte lebensrettende Physik. Ein sehr spannender Aspekt, für wie real ihn man auch immer halten mag.

Die Kritiken zum Film sind sehr unterschiedlich. Einige finden den Film zu wenig BioPic und zu sehr Bollywood. Was mir etwas fehlt sind die Charaktere der Kinder, die leider untergehen. Erst in dem Moment, wo sie auf Geheiß ihres Lehrers zusammen eine Vorführung vor den reichen Schülern machen müssen und sehr unsicher sind und schließlich ein bollywoodreifes Lied ensteht, bekommt man erstmals einen Hauch einer Ahnung von den einzelnen Charakteren und davon, was die Kinder verbindet.

Die Familienverhältnisse aus denen sie kommen, werden nur flüchtig angerissen. Das ist verständlich, aber schade. Ich denke jede einzelne Geschichte die dahinter steckt, wäre spannend zu erfahren. Vielleicht sollte man eine Serie draus machen. Hallo Netflix?^^

Die bewegendste Szene ist natürlich, als alle 30 Schützlinge von Anand den Test fürs IIT bestehen. Das geht einem ans Herz. All die Widrigkeiten haben sich gelohnt, die Kinder haben jetzt eine Zukunft außerhalb von ihren ärmlichen Verhältnissen, in denen sie ins Leben gestartet sind. Das ist großartig, ergreifend, herzerwärmend. Denn das ist eine Geschichte aus dem wahren Leben.

Regisseur Vikas Bahl steht leider unter Verdacht der sexuellen Belästigung, was dem Film in Indien einen bitteren Beigeschmack gibt. Es wäre aber fatal, sich den Film wegen diesem Aspekt nicht anzusehen. Es tut einfach gut, eine wahre Geschichte über einen so herzensguten Menschen zu sehen.

EN

It seems like a story from another world: children who would do anything to go to school. But it is not another world. The is India where so many families don’t have the money to send their kids to school. For the children, education is the only way to a better future.

„Super 30“ is based on the life of Patna-based mathematician Anand Kumar, who runs the famous Super 30 program for IIT aspirants (is an academic examination held annually in India). Anand Kumar is a real-life superhero who gives poor children the chance of education they would not otherwise be able to afford. He gave all his savings and almost his life as well.

Yes, they still exist, the good people in this world. All day long you are surrounded by the news of the bad things that are happening in this world, so it almost seems like a miracle to see how a human being works for other people so that they can live better lives. And here, not only the poor children are given a chance through education to get out of their situation. This also affects their families, and generations afterward. The help increases. And a man has managed that, despite all the really unbelievably great difficulties. He was not dissuaded and allowed to give these children without paying for education. So much social engagement from a mathematical genius seems miraclulous. People who work with numbers are often a bit too numerical in their social dealings. For example, Anand explains to his girlfriend that the formula of her face unfortunately does not have the Pi, which is the highest form of beauty.

I admit, the dark make-up of Hritikh Roshan as Anand took a bit of getting used to. But in the course of the movie you get used to it. I think overall he portrayed the real hero very well.

The schools which charge money for their education are so afraid of this unpaid competition that they do not even shy away from murder. So they plan an attack on the school. But the kids get to know about it and prepare themselves like Kevin in „Home Alone“. At the end they win because of their acquired knowledge of physical laws. Applied life-saving physics. A very exciting aspect, although I do not know how true this episode is.

The reviews for the film are mixed. Some find the movie is too much Bollywood than  BioPic. I felt there was not enough information given about the children themselves. Only when they have to do a show in front of the rich students at the behest of their teacher, in the form of a Bollywood-ripe song, you get a glimpse for the first time of the individual characters and the connections between the children.

The family conditions are only briefly touched upon. That’s understandable, but sad. I think every single story behind the kids would be exciting to experience. Maybe someone should make a series out of this. Hello Netflix? ^^

The most moving scene was when all 30 Anand protégés pass the IIT test. It’s a heartfelt thing. Overcoming all the adversities has been worthwhile, the children now have a future beyond their poverty in which they started their lives. That’s great, poignant, heartwarming. Because that’s a real life story.

Unfortunately, Director Vikas Bahl is under suspicion of sexual harassment, which gives the film in India a bitter aftertaste. However, it would be unfair not to watch the movie because of this aspect. It just feels good to see a true story about such a good-hearted person.

 

Hinterlasse einen Kommentar »

Dr. Rakhmabai – Indiens erste Ärztin

Die Geschichte von der ersten indischen Frau, die als Ärztin praktizierte und ihr schwieriger Weg dorthin mit einer Rechtsstreit-Odyssee um ihre mit 11 Jahren zwangsweise vollstreckte Kinderehe gehört auf jeden Fall auf die Leinwand.

So ist die Geschichte an sich sehenswert, die filmische Umsetzung wirkt allerdings fast steril, was die Emotionen betrifft. Wenn Rakhmabai wirklich in allem eher sachlich abgeklärt war und kaum Gemütsregung zeigte, ist das natürlich nachvollziehbar, bewirkt allerdings, dass man als Zuschauer auch kaum emotional berührt wird. Und aus welcher Laienspielgruppe auch immer die britischen Schauspieler stammten…das konnte man teilweise nicht recht ernst nehmen. Ich hätte mir auch sehr viel mehr Szenen der praktizierenden Ärztin zu jener Zeit gewünscht . Was liebe ich die Serie „Call the Midwife“, in der man soviele spannende Details darüber erfährt, welche medizinischen Errungenschaften noch gar nicht so lange her sind, welche Irrglauben es noch gab und wie der Wissensstand zu der Zeit war. Stattdessen müssen wir ewig lange Gerichtsprozesse miterleben, die natürlich für Rakhmabai sehr bedeutsam waren, aber für meinen Geschmack doch auch gern etwas kürzer hätten ausfallen können. Die wenigen Szenen, in denen Rakhmabai dann mal in ärtzlicher Aktion zu sehen war, wirkten auf mich leider nicht sehr professionell. Die angedeuteten Schwierigkeiten in Bezug auf ihre Fähigkeiten als Ärztin gab es eigentlich nur, weil man sie und ihre Eheproblematik persönlich kannte. Es muss doch auch allgemein Vorurteile gegen sie als Frau gegeben haben.

Also insgesamt von der Geschichte her wertvoll: eine stille Revolte in der indischen Gesellschaft , aus der die erste indische praktizierende Ärztin hervor ging. Eine Frau, die lieber das Gefängnis wählte, als mit einem Mann zusammen leben zu müssen, mit dem sie als Kind ohne Einwilligung verheiratet wurde und den sie gar nicht mochte. Die filmische Umsetzung mit wenig Emotionen und eher laienhaft anmutend.

2 Kommentare »

„Ich bin Malala“ – über ein Bildungsprojekt in Pakistan – kritische Buchbesprechung

Ich habe gestern zum ersten Mal am Interaktiven Lesekreis: Frauen am Hindukusch des Vereins „AMIKAL center for educational and cultural exchange e.V.”  teilgenommen. Dieses Mal wurde das Buch „„Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen wollten, weil es für das Recht auf Bildung kämpft“ besprochen. An dieser Veranstaltung kann auch jeder teilnehmen, der dieses Buch nicht gelesen hat. Da ich das Buch tatsächlich noch nicht gelesen habe, kann ich bestätigen, dass man genügend über das Buch erfährt und sich an den Diskussionen darum gut beteiligen kann und viele Anregungen erfährt.

Die Pakistanerin Malala Yousafzai (geb. 1997), um die es in diesem Buch geht, führte schon lange  für die BBC ein Blog-Tagebuch über ihren Alltag unter den Islamisten im Swat-Tal (Region im Nordwesten Pakistans). Am 9. Oktober 2012 wurde sie auf ihrem Schulweg von Taliban-Kämpfern überfallen und niedergeschossen. Die Fünfzehnjährige hatte sich den Taliban widersetzt, die Mädchen verbieten, zur Schule zu gehen. Sie überlebte glücklicherweise, mit für immer bleibenden Schäden und kämpft weiter für das Recht auf Bildung in Pakistan. In diesem Buch wird Malala’s Geschichte autobiographisch beschrieben.

Ihr Vater hatte immer den Traum, eine Schule aufzubauen. Malala wurde geboren, kurz nachdem die Schule tatsächlich eröffnet wurde. Dieses große Engagement ihres Vaters verinnerlichte Malala in großem Maße. Neben der Geschichte ihrer Familie wird in dem Buch beschrieben, wie ein islamistischer Radiosender nach und nach das Leben der Menschen im SWAT-Tal bestimmte. Mädchen sollten nicht mehr zu Schule gehen. Erst gab es öffentlich Lob für die Mädchen, die dies nicht mehr taten. Später wurde der Ton aggressiver und die Mädchen öffentlich angeprangert, die sich nicht davon abhalten ließen, weiterhin zur Schule zu gehen. Die Mullas nutzten die Organisationsproblematik nach dem Afghanistan-Krieg. Auch in weiteren Krisen wie der Überschwemmungskatastrophe 2010 waren sie für die Menschen vor Ort da, während internationale Hilfsorganisationen schnell wieder verschwunden waren und Gericht & Polizei zu ineffizient, um wirklich zu helfen. Im Buch werden viele politische & geschichtliche Zusammenhänge beschrieben, die zur Radikalisierung in dieser Region beigetragen haben.

Die Autorin ist Christina Lamb, und da setzt schon die Kritik des Leserkreises an. Die Erwartung, dass man die Ereignisse aus der Sicht des jungen Mädchens erfährt, wird nicht erfüllt. All die geschichtlichen Hintergründe, die Art, wie gewisse Dinge über den Islam geschrieben werden, lassen erkennen, dass die Autorin einen großen Anteil an dem Buch hat und nicht Malala. Nirgendwo werden dem Leser Informationen dazu gegeben, wie dieses Buch geschrieben wurde, wer welchen Anteil daran hatte. Es lässt sich nur erahnen. Ebenfalls ungewiss ist, inwieweit ihr Vater sie vielleicht für seinen Traum dazu „drängt“, derart aktivistisch zu handeln.

Per Skype zugeschaltet war die pakistanische Menschenrechtsexpertin Anila Noor, die gerade in Den Haag ihre Doktorarbeit schreibt. Sie berichtete, dass Malala in Pakistan sehr kritisch gesehen wird, denn sie steht für eine professionelle westliche Bildungskampagne. Praktisch ein „Werkzeug“ des Westens. Hier ist die Frage, wieviel sie wirklich verändern kann, wenn ihr in ihrem Land soviel Misstrauen entgegengebracht wird. Aber natürlich stößt sie damit dringende Diskussionen über die Bildungspolitik an. In Pakistan ist Bildung eine private Sache. Da müssen schonmal 40.000 Rupien pro Monat für die Schulbildung der Kinder ausgegeben werden. Die wenigsten dort können sich das leisten.

Die Teilnehmer des Lesekreises sind sich einig, dass das Buch eher für ein westliches Publikum geschrieben wurde. Es führt durchaus dazu, dass sich einige jetzt näher mit Pakistan beschäftigen möchten. Bei allem kritischen Blick auf das Buch, finde ich dieses Ergebnis wunderbar, denn dies ist nur ein kleiner Blick auf eine bestimmte Region und Problematik in Pakistan.

Aus dem Leserkreis gab es noch den Hinweis, dass derzeit ein kostenloser Online-Kurs der Stanford Universität läuft, der sehr spannende Materialen zum Thema „International Women’s Health & Human Rights“ bereithält:  http://class.stanford.edu/courses/GlobalHealth/IWHHR/Summer2014/about 

Vielen Dank an AMIKAL für die anregende Diskussion zu diesem Buch!

Mehr zum Thema:

http://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/malala-yousafzai-erhaelt-sacharow-preis-gefeiert-von-der-welt-angefeindet-zu-hause-12609269.html

Update: Nun hat sie ihn bekommen, den Friedensnobelpreis 2014, zusammen mit dem Kinderrechtler Kailash Satyarthi.

1 Kommentar »