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Jagame Thandhiram – das Leid der Tamilen

- Juni 23, 2021

Zu sehen bei Netflix

Für die meisten von uns, wenn überhaupt, ist der Bürgerkrieg in Sri Lanka nur eine historische Begebenheit, von der wir gelesen oder gehört haben. Dieser tamilische Film zeigt uns den unglaublichen Schmerz der zivilen Opfern dieses Krieges, der noch lange nicht mit dem Krieg endet. Ich finde es sehr wichtig, dass uns das Leid dieses Krieges in cineastischer Form nahe gebracht wird, von daher möchte ich über diesen Film schreiben, auch wenn er nicht unbedingt eine Empfehlung zum Ansehen von mir ist.

Vielleicht noch zum Verständnis für diejenigen, die sich nicht so sehr mit dem Bürgerkrieg in Sri Lanka auskennen: 1948 erlangte Ceylon (ab 1972 Sri Lanka) die Unabhängigkeit vom britischen Königreich. Die singhalesische Bevölkerungsmehrheit versuchte, ihren Herrschaftsanspruch durchzusetzen. Rund 700 000 indische Tamilen werden vom Zugang zum Bürgerrecht ausgeschlossen. Tamilen und Singhalesen unterscheiden sich in Kultur und Sprache. Die meisten Tamilen sind Hindus, die meisten Singhalesen sind Buddhisten. Die Regierung ließ tamilische Unruhestifter verschwinden, reduzierte mit Quotenregelungen die Zahl der tamilischen Studenten und ernannte den Buddhismus zur Staatsreligion. Für die Tamilen bedeutete die Vorherrschaft der Singhalesen nur Unterdrückung. Die 1976 gegründeten LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam), die für einen unabhängigen Tamilenstaat im Norden Sri Lankas eintraten, töten 1983 in der Nähe von Jaffna 13 Armeeangehörige. Der Angriff gilt als Beginn des Bürgerkriegs. Indien versuchte mit Soldaten Frieden zu bringen, zog dann aber nach tausenden getöteten Soldaten wieder ab. Nach dem Abzug wurde der Krieg noch blutiger. Die Uno schätzt, dass in der Schlussphase des Kriegs zwischen 40 000 und 70 000 Zivilisten getötet wurden. Am 18. Mai 2009 erklärte der sri-lankische Armeechef, das gesamte Land sei «befreit».

Ich selbst habe den Norden von Sri Lanka bereist. Ich habe große Ehrendenkmäler für die heroischen Soldaten gesehen, aber keine für die vielen zivilen Opfer. Man fragt sich manchmal: sind die Häuser vom Tsunami zerstört, oder vom Bürgerkrieg? Überlebende erzählen, wie sie eingekesselt von Flugzeugen bombardiert, beschossen wurden. Ohne Rücksicht auf Unschuldige. Genau diese Erfahrungen werden in „Jagame Thandhiram“ aufgearbeitet und uns bildlich vor Augen geführt. Wer dies überlebt hat, konnte nur noch versuchen, aus Sri Lanke zu fliehen. In Indien war man als Flüchtling nicht willkommen. Es blieb noch die illegale Einwanderung nach Europa. Mit der geringen Aussicht auf den Erhalt eines Status, mit dem ein normales Leben in einem Land wie z.B. Großbritannien möglich ist. So „normal“ wie man eben unter Bedingungen leben kann, in denen „Fremde“ nicht erwünscht sind.

In der ersten Hälfte des Films geht es um zwei Gangsterbosse in London. Der Londoner Boss holt sich einen abgefuckten tamilischen Klein-Gangster aus Indien, um den dortigen tamilischen Gangsterboss aus dem Weg zu räumen. Das ist bis dahin alles ziemlich blutig und brutal, manchmal etwas tarantinoesk. Der Klein-Gangster aus Indien ist natürlich obercool, unschlagbar und unfassbar gerissen. Töten ist sein Hobby und gar kein Problem für ihn. Letztlich ergibt zum Glück alles einen Sinn, wenn man den ganzen Hintergrund des tamilischen Gangsterbosses erfährt. Bis dahin muss man den Film irgendwie aushalten. Vor allem diese englischen Laienschauspieler. Ich verstehe es nicht. In jedem verdammten indischen Film ist es immer dasselbe: die westlichen Schauspieler sind einfach nur furchtbar. Liegt das daran, dass sie im direkten Vergleich mit indischen Schauspielern so laienhaft emotionslos wirken oder werden sich extra billige Schauspieler eingekauft oder bezahlen die Leute dafür, dass sie im Film mitspielen dürfen und sind gar keine Schauspieler? Ich finde das auch hier wieder einfach nur zum Kopfschütteln und grottenschlecht.

Im Grunde geht es dann sehr viel um die Probleme von Einwanderern, die gegen die „White Power“-Mentalität im dortigen Land ankämpfen müssen. Alles ganz schön viel Klischee. Der böse weiße Mann gegen armen Flüchtling. Am Ende wird es fast zu kitschig, als sie versuchen, dem „White-Power“-Boss zu zeigen, was es bedeutet, ein Flüchtling zu sein. So ganz wird es nicht funktionieren, schließlich ist er ein weißer, alter Mann. Er wird kein Problem bekommen, auch ohne Papiere, die ihn als Engländer ausweisen. Aber das ist dann unserer Fantasie überlassen.

Die Reviews auf imdb.com bewerten den Film eher als unterirdische Zeitverschwendung. Für die erste Hälfte des Films würde ich das auch so sehen. Und ein Gangsterboss, der als Robin Hood gutes tut, ist wohl auch etwas zu viel des Guten. Was ich aber nicht als Zeitverschwendung ansehe ist, dass den zivilen Opfern des Bürgerkrieges in Sri Lanka wenigstens ein cineastisches Denkmal gesetzt wird.

Meine Begegnungen mit den Erinnerungen an den Bürgerkrieg in Sri Lanka:

Wie kann sich eine Gesellschaft weiterentwickeln während fast drei Jahrzehnten Bürgerkrieg? Man bekommt in Sri Lanka das Gefühl: kaum. Der Status von Frauen ist dort noch wie hier in den 70er Jahren. Es ist sehr sehr hart, Geld zu verdienen. Viele möchten nach Europa in der Hoffnung, dort ein besseres Leben führen zu können. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt…

Weiterführende Informationen:

Massaker im Paradies –eine Chronologie des Bürgerkriegs in Sri Lanka

Weltspiegel-Reportage: Sri Lanka – Die lange Reise zum Frieden

Der lange Weg zum inneren Frieden


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